Die Behandlung des metabolischen Syndroms mit intravenöser Sauerstofftherapie nach Regelsberger (IOT).
Theoretische Grundlagen
Dr. Franz J. Kreutzer

Nach Wikipedia gilt  das Metabolische Syndrom (MetS) neben dem Rauchen als der entscheidende Risikofaktor für Erkrankungen der arteriellen Gefäße, insbesondere der koronaren Herzkrankheit.
Nach einer Studie von S. Moebus et al., erschienen im Deutschen Ärzteblatt 2008; 105(12) A 207-13, liegt die Prävalenz des MetS in Deutschland im Patientengut von Primärpraxen bei ca. 20% (Männer) und 18% (Frauen). Für die USA werden derzeit noch höhere Prozentsätze angegeben.
Ein Metabolisches Syndrom liegt vor, wenn wenigstens drei der folgenden Faktoren vorliegen:
•    Viszerale Adipositas
•    Störung des Kohlenhydratstoffwechsels (Insulinresistenz, latenter oder manifester Diabetes mellitus Typ-2
•    Hypertriglyzeridämie
•    erniedrigtes HDL-Cholesterin
•    Arterielle Hypertonie

Das Fettgewebe ist ein hochaktives metabolisches und endokrines Organ.
Die Vermehrung des viszeralen Fettgewebes geht unwidersprochen mit chronischen entzündlichen Prozessen einher (schleichende Entzündung, low grade inflammation): Vermehrung von proinflammatorischen Zytokinen, Erhöhung des hochsensitiven CRPs, Verminderung von Adiponektin durch TNF-α.
Die IOT wirkt antientzündlich und antioxidativ durch verschiedene Faktoren.
Das typische Kennzeichen     der IOT ist die praktisch stets auftretende Eosinophilie.
Eosinophile Granulozyten (Eos) werden auch im gut durchbluteten viszeralen Fettgewebe gefunden. Dort spielen sie eine wesentliche Rolle bei der Aufrechterhaltung des metabolischen Gleichgewichts. Die Eosinophilen im viszeralen Fettgewebe sind die Hauptproduzenten von Interleukin-4 (IL-4), das bei der Umwandlung von proinflammatorischen M1-Macrophagen in antiinflammatorische M2-Macrophagen eine wesentliche Rolle spielt. Je höher die Anzahl von Eosinophilen und M2-Macrophagen im viszeralen Fettgewebe bei fettreich ernährten Versuchsmäusen je geringer die Adipositas, der Blutzucker und die Insulinresistenz. Umgekehrt nehmen nach experimenteller Verminderung der Eosinophilen die viszerale Fettmenge, der Blutzucker und die Insulinresistenz zu. Schlanke Tiere haben vermehrt M2-Macrophgen, fette Mäuse vermehrt M1-Macrophagen (D. Wu et al.: Eosinophils sustain adipose alternatively activated macrophages associated with glucose homeostasis. Science 2011;332;243-47).
Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die gerade genannten Autoren bei den mit fettreicher Diät ernährten Versuchsmäusen nach Infektion mit dem parasitären Wurm Nippostrongylus brasiliensis – via Vermehrung der Eosinophilen und konsekutiv der M2-Macrophagen –  eine Abnahme des Nüchternblutzuckers, eine verbesserte Insulinempfindlichkeit und Glukosetoleranz fanden. Das ist eine weitere Parallele zu der von mir in meiner Monografie dargestellten Gemeinsamkeiten von IOT und Wurminfektionen im Sinne der Hygiene-Hypothese. Die Autoren schreiben abschließend: We speculate that eosinophils may have evolved to optimize metabolic homeostasis during infection by ubiquitous intestinal Parasites…  Modulating adipose eosinophil number and function could provide an exiting and novel therapeutic target in human metabolic disorders.
Eigentlich sollten sich nach den in meiner Monografie Intravenöse Sauerstofftherapie (IOT) dargelegten Erkenntnissen nach IOT die Eosinophilen im zirkulierenden Blut anhäufen und im betroffenen Gewebe vermindern. Das passt nicht zu der oben beschriebenen Vermehrung im Fettgewebe. Vermutlich übertragen die nach IOT im Blut vermehrten Eosinophilen bestimmte sezernierte Wirkstoffe auf das gut durchblutete viszerale Fettgewebe auch endokrin, beispielsweise 17-HDHA (s. unten).
J. Claria et al. (Diversity of lipid mediatoers in human adipose tissue depots. Am J Physiol Cell Physiol 2013;304;C1141-49) zeigen, dass im subkutanen Fettgewebe von Patienten mit pAVK gegenüber nichtgefäßkranken Kontrollen ein Defizit an PD1 (Protectin-D1) und an 17-HDHA (17-hydroxydocosahexaensäure) besteht, während sich diese Stoffe bei den pAVK-Patienten im perivaskulären Fettgewebe (entnommen während der Amputation) in höheren Konzentrationen fanden als bei den Kontrollen. Die Autoren erklären diese höheren Konzentrationen als einen protektiven Gegenregulationsmechanismus gegenüber proinflammatorischen und profibrotischen Effekten. Eine weitere Arbeit aus derselben Arbeitsgruppe gibt zusätzliche Informationen: E. Titos and J. Claria: Omega-3-derived mediators counteract obesity-induced adipose tissue inflammation. Prostaglandins & other Lipid Mediators 2013.
17-HDHA wird aus der Omega-3-Fettsäure Docosahexaensäure (DHA) via 15-Lipoxygenase-1 (15-LOX-1) gebildet und ist eine Vorstufe von PD1, auch NPD1 (NeuroprotectinD1) genannt. PD1 gehört wie Lipoxin-A4, Resolvine, Maresine und andere Protectine zu den sogenannten specialzed proresolving mediators (SPMs). Diese Lipidmediatoren bewirken die Beendigung eines Entzündungsprozesses, die Beseitigung der Zelltrümmer und die endgültige Abheilung (resolution). Die Eosinophilen sind Hauptproduzenten von 15-Lipoxygenase-1 aus Linolsäure. Mit der Zahl der nach IOT vermehrten Eos steigt parallel die Konzentration der 15-LOX-1 an. Eosinophile können aus DHA via 15-LOX PD1/NPD1 selbst produzieren und ausscheiden (s. Abb. 1).
Wir konnten in einer Pilotstudie (Labor Lipidomix, Berlin) nachweisen, dass sich die Konzentration von 17-HDHA im Serum nach Gabe von hochdosiertem Fischöl erhöht und nach IOT weiter ansteigt, aber erst wenn sich im Laufe der IOT eine Eosinophilie mit einhergehender 15-LOX-1 entwickelt hat. Der intravenös infundierte molekulare Sauerstoff ist vermutlich die Quelle für die durch die 15-LOX-1 auf die Fettsäure (hier DHA zu übertragenden 2 Moleküle Sauerstoff, wodurch 17-HDHA vermehrt gebildet werden kann. PD1/NPD1 war im Serum nach Gabe von Omega-3-Fettsäuren und nach IOT nicht detektierbar, wahrscheinlich wegen zu geringer Konzentration. In Eosinophilen kann aber nach vorliegenden Arbeiten PD1 nachgewiesen werden. Das Labor Lipidomix prüft gerade die Möglichkeit, aus isolierten Eos vor und nach IOT PD1 und andere SPMs (spezilized proresolving mediators) zu analysieren.  Schon die bisherigen Ergebnisse sprechen dafür, dass in Zukunft die IOT mit der Gabe von hochdosiertem Fischöl (z.B. 10-20 ml Omega 3 Total) kombiniert werden sollte.

 

aaaat

Abb. 1

 

Die durch IOT vermehrten Eosinophilen können auf die beschriebene Weise auch beim metabolischen Syndrom antientzündlich und abheilend wirken.

Die endogenen Cannabinoide (Endocannabinoide) haben einen Einfluss auf das Metabolische Syndroms. Die von der Arachidonsäure abstammenden „klassischen“ Endocannabinoide (Arachidonylethanolamid und Arachidonylglycerol (AEA und
2-AG) haben u.a. durch ihre appetitsteigernden Wirkungen ungünstige Effekte. Endocannabinoide können aber auch Abkömmlinge von den Omega-3-Fettsäuren Docosahexaensäure und Eicosapentaensäure (EPA und DHA) sein und werden als EPEA und DHEA bezeichnet. Diese Metaboliten haben antiinflammatorische Eigenschaften und wirken gewichtsreduzierend sowie hemmend auf die Faktoren des Metabolischen Syndroms. Überblick bei: M. Rossmeisl et al.: Metabolic effects of n-3 PUFA as phospholipids are superior to triglycerides in Mice fed a high-fat diet: Possible roles of Endocannabinoids. PLOSONE 2012. In dieser Arbeit wird auch darauf hingewiesen, dass die Gabe von an Phospholipide gebundenen Omega-3-Fettsäuren stärkere Wirkungen hat als die von an Triglyzeride gebundenen.
In der oben erwähnten Pilotstudie (Dr. Wiechert) konnten wir nachweisen, dass eine Gruppe von 7 Patienten, die kein Fischöl erhielten, deutlich weniger DHEA im Serum aufwiesen, als eine Gruppe mit 8 Patienten, die mit Omega-3-Fettsäuren substituiert wurden (Omega-3-Index >8%). Die IOT hatte keinen weiteren signifikanten Einfluss auf Bildung von DHEA. Die 15-Lipoxygenase-1 kann aus den verschiedenen Endocannabinoiden Abkömmlinge synthetisieren, die CB2-Rezeptoren – Eosinophile haben CB2-Rezeptoren! – aktivieren und dadurch entzündungshemmend und heilungsfördernd wirken. S. Abb. 2

Endocannabinoide aus AA EPA und DHA

Abb. 2

Die Möglichkeit, etwa 17-HDHEA im Serum oder in isolierten Eosinophilen vor und nach IOT analysieren zu können, wird z.Zt. geprüft. Es ist schwierig, die hierfür notwendigen Kontrolllösungen zu beschaffen.

Peroxisom Proliferator aktivierter Rezeptor-Gamma (PPARγ) ist ein Transskriptionsfaktor im Zellkern. Die Aktivierung durch Bindung von Liganden bewirkt nach Wikipedia insbesondere eine Verbesserung des Glukosestoffwechsels sowie der Insulinsensivität. Weiterhin steigert die Aktivität des PPARγ-Rezeptors die Aufnahme freier Fettsäuren und wirkt auf die Differenzierung von Adipozyten und Makrophagen. Darüber hinaus hat die Aktivierung von PPARγ antiinflammatorische Effekte. Außerdem konnte eine Verbindung zwischen der Induktion von PPARγ und einer Reduktion des Arteriosklerose-Risikos gezeigt werden.
Nach J.T. Huang et al. (Interleukin-4-dependent production of PPAR-gamma ligands in Makrophages by 12/15-lipoxygenase. Nature 1999;400;378-82) kann PPARγ von einer Reihe synthetischer und natürlich vorkommender Substanzen aktiviert werden, beispielsweise von Pioglitazon aus der Gruppe der Insulinsensitizer zur Behandlung des Diabetes oder 15-deoxy-delta prostaglandin J2 (15d-PGJ2), 13-hydroxy-octadecadiensäure (13-HODE) oder von 15-hydroxyeicosatetraensäure (15-HETE). Von den letzten 3 Substanzen konnten wir in der erwähnten Pilotstudie nachweisen, dass sie sich nach IOT vermehren (von 15d-PGJ2 nur im Einzelfall). 13-HODE und 15-HETE werden aus der Linolsäure via 15-Lipoxygenase-1 gebildet, die u.a. von Eosinophilen und Makrophagen (Interleukin-4 abhängig)  exprimiert wird. Diese Erkenntnisse zeigen nach dem Urteil der Autoren, dass die 15-Lipoxygenase bei der Generation von endogenen Liganden für PPARγ eine wichtige Rolle spielt.
Auch die Omega-3-Fettsäuren DHA und EPA gelten als Aktivatoren von PPAR-γ (A. Jaudszus et al.: Evaluation of suppressive and pro-resolving effects of EPA and DHA in human primary monocytes and T-helper cells. J. Lipid Res 2013;54;923-35).
Langkettige hochungesättigte Fettsäuren wie DHA und EPA bessern durch verstärkte Expression von PPARγ die mit dem Übergewicht verbundene metabolische Dysfunktion und senken die inflammatorischen Marker im weißen Fettgewebe. Außerdem kann DHA durch Aktivierung von PPARγ tumorhemmend wirken (B Grygiel-Górniak.: Peroxysome proliferator-activated receptors and their ligands: nutritial and clinical implications – a review. Nutrition Journal 2014).
Somit kann durch IOT induzierte Stoffe und durch Supplementierung von Omega-3-Fettsäuren der PPARγ aktiviert werden. Es resultiert eine Besserung der Faktoren des Metabolischen Syndroms und seiner Folgen.
Unabhängig von der IOT können bestimmte Lebens- oder Nahrungsergänzungs-mittel wie Ingwer oder Curcumin die Produktion von PPARγ auch im Fettgewebe erhöhen 8H. Martin.: Role of PPAR-gamma in inflammation. Prospects for therapeutic intervention by food components. Mutation Research 2010;690;57-63.

Aspirin® (ASS, ASA) in niedriger Dosierung (low dose aspirin) azetyliert die Cycloperoxidase-2 (COX2), die dadurch lipoxygenaseähnliche Eigenschaften hat und Arachidonsäure statt zu 15(S)-HETE zu 15(R)-HETE synthetisiert. Aus 15(R)-HETE wird dann durch den Einfluss von 15-Lipoxygenase-1 (vorwiegend aus Eosinophilen) das 15-Epi-Lipoxin, auch aspiringetriggertes Lipoxin (AT-LOX) genannt.
Auch aus anderen langkettigen Fettsäuren, besonders auch aus den im Fischöl vorkommenden Omega-3-Fettsäuren DHA und EPA gibt es nach Gabe von ASS aspiringetriggerte Formen, die als stärker und länger wirksam beschrieben werden als ihre nichtgetriggerten Formen.
Übersicht bei: C.N. Cerhan et al.: Novel pro-resolving aspirin-triggered DHA pathway. Chem Biol 2011;18;976-87).
Auch die besser bekannte Hemmung der Thrombozytenaggregation durch niedrig dosiertes ASS und andere Eigenschaften spielt bei der Bekämpfung des MetS und seiner Folgen eine wesentliche Rolle (T.M. Shields and C.H. Hennekens: Management of metabolic syndrome: aspirin. Endocrinol Metab Clin North Am 2004;3377-93).
Aus den genannten Gründen ist neben der Supplementierung von Omega-3-Fettsäuren die zusätzliche Gabe von 70-100 mg ASS täglich zur IOT fast immer ratsam. Oxyvenierungstherapie, die Supplementierung mit Omega-3-Fettsäuren und die Gabe von niedrig dosierter ASS sollten in Zukunft eine Einheit bilden!

Das zu den Adipokinen zählende Peptidhormon Adiponektin wird im Fettgewebe gebildet. Besonders im viszeralen Fettgewebe spielt es bei der Pathogenese des metabolischen Syndroms, des Diabetes  und bei der Entstehung vonkardiovaskulären Erkrankungen eine wesentliche Rolle. Beim MetabolischenSyndrom ist Adiponektin im Plasma erniedrigt. Überblick bei C. Gelsinger et al.: Adipokine update – neue Moleküle, neue Funktionen. Wiener Medizinische Wochenschrift 2010;160;377-90.
Der proinflammatorisch wirkende Tumornekrosefaktor-alpha (TNFα) ist neben anderen entzündungsfördernden Zytokinen für das Absinken der Adiponektinsekretion im viszeralen Fettgewebe verantwortlich (Y. He et al.: The multimerization and secretion of adiponectin are regulated by TNF-alpha. Endocrine 2015). TNFα wird nach IOT durch verschiedene Mechanismen deutlich abgesenkt (s. Monografie IOT). Hierdurch und wohl auch durch die anderen antientzündlichen Effekte der IOT kann die Konzentration von Adiponektin angehoben werden und somit das Metabolische Syndrom gebessert werden.

Die Aktivität des antioxidativen und antiatherogenetischen Enzyms Paraoxonase-1 (PON-1) wird nach IOT deutlich erhöht gefunden (s. Monografie IOT). PON-1 ist ein Bestandteil des HDL-Cholesterins. Beim MetS ist PON-1 vermindert (R.P.F. Dullaart et al.: The positive relationship of serum paraoxonase-1 activity with apolipoprotein E is abrogated in metabolic syndrome. Atherosclerosis 2013;230;6-16). Ein Anheben der Aktivität von PON-1 durch IOT kann also ein weiterer Beitrag zur Behandlung des metabolischen Syndroms sein.

Nach IOT werden die immunsuppressorisch und antiinflammatorisch  wirkenden regulatorischen T-Zellen (Tregs) signifikant erhöht (noch unveröffentlichte Studie).
Tregs sind im Fettgewebe von normalgewichtigen Mäusen angereichert, während sie im Fettgewebe von adipösen Mäusen stark reduziert sind. Die Vermehrung von Tregs kann Elemente des MetS hemmen (M. Feurer et al.: Lean, but not obese, fat is enriched for a unique population of regulatory T cells that affect metabolic parameters. Nature Medicine 2009;15;930-39). Somit kann die IOT durch Induzierung von Tregs zur Besserung des Metabolischen Syndroms beitragen.

Die Vielzahl der aufgeführten Wirkmechanismen der Intravenösen Sauerstofftherapie bei der Bekämpfung des Metabolischen Syndroms sprechen für eine Anwendung der IOT zur Behandlung des Metabolischen Syndroms und seiner Folgen, selbst wenn die eine oder andere Wirkung nicht vom Versuchstier auf den Menschen übertragbar sein sollte.